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Pro- und Präbiotika:

Nach einem Interview von ERNÄHRUNGSUMSCHAU mit  Prof. Dr. med. S. C. Bischoff
Universität Hohenheim 2010



Prä- und Probiotika als Zusatz in Lebensmitteln werden intensiv vermarktet und sollten gesundheitsfördernde Wirkung haben. Ob die Bakterienkulturen halten, was sie versprechen, und ob ihr zunehmender Einsatz auch in der Medizin berechtigt ist, erläutert Prof. Dr. med. Stephan C. Bischoff, Geschäftsführender Direktor des Institutes für Ernährungsmedizin, Universität Hohenheim im Gespräch mit der Redaktion.

Nach welchem Konzept wirken Prä-, Pro- und Synbiotika?
BISCHOFF: Nach heutiger Definition sind Probiotika lebende, nicht pathogene Mikroorganismen, die einen präventiven oder einen therapeutischen Effekt auf den Makroorganismushaben, ihm also einen gesundheitlichen Nutzen bringen, wenn sie in ausreichender Menge aufgenommen werden. Sie stammen typischerweise aus humanen Isolaten und überleben die Magenpassage. Probiotische Mikroorganismen müssen in aktiver Form verabreicht werden.
Präbiotika hingegen sind tote Substanzen in der Regel unverdauliche Kohlenhydrate, die günstige Bakterien der eigenen Darmflora selektiv zum Wachstum stimulieren und damit einen positiven gesundheitlichen Effekt ausüben). Präbiotika können im oberen Intestinaltrakt weder verdaut
noch absorbiert werden und werden stattdessen im Kolon durch die dort ansässige Mikroflora fermentiert. Dies führt zu einer selektiven Änderung des Ökosystems im Verdauungstrakt.
Durch Präbiotika sollen hier vorhandene Bifidobakterien und in geringerem Maße auch Laktobazillen
in ihrem Wachstum stimuliert und so gleichzeitig das Wachstum unerwünschter Organismen unterdrückt werden.

Präbiotika (auch Prebiotika) sind „Nicht verdaubare Lebensmittelbestandteile, die ihren Wirt günstig beeinflussen, indem sie das Wachstum und/oder die Aktivität einer oder mehrerer Bakterienarten im Dickdarm gezielt anregen und somit die Gesundheit des Wirts verbessern“ (Gibson und Roberfroid, 1995). Die meisten potentiellen Präbiotika sind Kohlenhydrate, aber die Definition schließt nicht aus, dass auch Nicht-Kohlenhydrate als Präbiotika verwendet werden können. Sie stellen eine selektive Nahrungsgrundlage für Darmbakterien-Arten wie Laktobazillen und Bifidobakterien dar und können auf diese Weise gezielt die Zusammensetzung der Darmflora beeinflussen. Für die Di-, Oligo- und Polysaccharide Inulin, Lactulose, Lactitol, Raffinose, Stachyose sowie weitere Fructane und Oligofructose wurden präbiotische Eigenschaften untersucht und nachgewiesen. [2] In Chicorée, Schwarzwurzeln, Topinambur und vielen anderen wenig oder gar nicht verarbeiteten pflanzlichen Lebensmitteln sind Präbiotika natürlich vorhanden. Industriell können Präbiotika aus unterschiedlichen Ausgangsstoffen hergestellt werden. Inulin und Oligofructose werden vorwiegend aus der Wurzelzichorie (Chicorée) gewonnen.

Synbiotika wiederum stellen eine Kombination von Prä- und Probiotika dar, die synergetische Effekte erzielen sollen. Sie werden ähnlich wie Präbiotika hauptsächlich als Lebensmittelzusätze
verwendet und zunehmend auch als Medikation eingesetzt. Alle drei Substanzgruppen werden also eingesetzt, um die Darmflora im gesundheitlichen Sinn positiv zu beeinflussen. Das gelingt über verschiedene Mechanismen, die heute zumindest zum Teil bekannt sind. So haben sie vermutlich zeitweise einen direkten Einfluss auf die bakterielle Darmflora, die ja eine wichtige Rolle für unsere Gesundheit spielt. Ein Haupteffekt ist die Barrierefunktion gegenüber pathogenen Bakterien.
Diese Wirkung wird einerseits durch direkte Verdrängung pathogener Keime und andererseits durch die Sekretion antimikrobieller Substanzen durch Probiotika erzielt.

Welche Mengen sind effektiv?
BISCHOFF: Durch die Pharmakologie sind es Verbraucher heutzutage gewohnt, nach Dosisangaben zu fragen. Pharmakologen arbeiten und äußern sich gemäß evaluierter Wirkkurven/ Wirkprofile eines Medikamentes, das in Zulassungsstudien zuvor zu Dosisangaben erforscht wurde. Dieses Prinzip funktioniert hier leider nicht, denn Probiotika sind anders als übliche Arzneimittel. Wie groß die
eingenommene Menge sein muss, ist zur Zeit noch nicht abschließend geklärt und vermutlich von Fall zu Fall unterschiedlich. Es gibt allerdings einige Studien, die eine Orientierung zum Thema effektive Dosierung von Probiotika bieten können. Sinnvolle Dosisbereiche können bei 107 bis 1010
Keimen liegen (Reinpräparate) oder bei 106 bis 109, wenn es sich um Milchprodukte (Jogurt, Jogurtgetränke) handelt. Für den Verbraucher ist es wichtig zu wissen, das der Gehalt an Keimen
nach der Abfüllung z. B. eines Jogurtgetränkes kontinuierlich abnimmt. Der Hersteller ist verpflichtet, einen definierten und angegebenen Keimgehalt bis zum Ablauf des „Mindesthaltbarkeitsdatums“
zu garantieren. Das Mindesthaltbarkeitsdatum kennzeichnet hierbei jedoch nicht den Verderb des Lebensmittels, sondern die garantierte Mindest-Keimzahl des Getränkes. Je frischer ein Getränk oder Produkt also abgefüllt wurde, desto höher ist die Keimzahl, die wirksam sein kann.

Wie ist die derzeitige wissenschaftliche Evidenz für den Einsatz von Prä-, Pro-, Synbiotika?
BISCHOFF: Wirkung und Konzept der Synbiotika werden derzeit intensiv untersucht, da man davon ausgehen muss, dass Prä- und Probiotika klinisch eine andere Wirkung zeigen. Die Datenlage zur klinischen Wirksamkeit von Probiotika als modulierende Agenzien in der Prävention oder Therapie von Erkrankungen hat in den letzten ein bis zwei Jahrzehnten exponenziell zugenommen. Für die klinische Wirkung von Pro- und Präbiotika liegt wissenschaftliche Evidenz vor. Gesicherte Daten finden sich bei Krankheitsbildern wie dem Reizdarm, Lebensmittel-Unverträglichkeiten, chronischer Obstipation
und entzündlichen Darmerkrankungen. Weiterhin gibt es positive Hinweise für den Einsatz bei metabolischen Erkrankungen, Patienten mit Adipositas oder Adipositas-assoziierten Erkrankungen. Es ist bekannt, dass Probiotika das Risiko einer nekrotisierenden Enterokolitis verringern und einen günstigen Effekt bei Colitis ulcerosa und Pouchitis erzielen.
Synbiotika können vor allem bei großen chirurgischen abdominalen Operationen sowie bei Lebertransplantationen erfolgreich eingesetzt werden.
Inzwischen gibt es keinen Zweifel mehr, dass Ernährung und Darmflora mit dem Darmimmunsystem bzw. der Darmbarriere in enger Wechselwirkung stehen, dies wird durch klinische Beobachtungen gestützt. Ich bin davon überzeugt, dass die Einnahme von Probiotika hierbei einen wichtigen Beitrag für die Gesundheit leisten kann.

Können die Substanzen auch nach dem Absetzen der Behandlung noch Effekte erzielen?
BISCHOFF: Leider werden probiotische Bakterien im Darm nicht resident: Während der Aufnahme der Probiotika lassen sich diese im Stuhl nachweisen. Nach dem Absetzen verschwinden sie jedoch nach einer gewissen Zeit wieder. Die Effekte lassen also ca. eine Woche nach der Behandlung nach.

Wie gut ist die Sicherheit für den Einsatz von Prä- und Probiotika untersucht?
BISCHOFF: Probiotika erfreuen sich zunehmender Beliebtheit beim Verbraucher.
Die überwiegende Zahl der Keime, insbesondere solcher, die aus fermentierten Lebensmitteln isoliert
wurden, weisen eine lange Tradition sicherer Anwendung in Lebensmitteln auf. Mit zunehmender Zahl neu eingesetzter Probiotika stellt sich die Frage nach der Sicherheitsbewertung. Dies gilt insbesondere bei Schwerkranken, für die Probiotika ohne Sicherheitsmaßnahmen nicht angewendet werden können.

Würden Sie Probiotika Ihren Kindern geben, wenn diese Antibiotika erhalten?
BISCHOFF: Meine Kinder nehmen probiotische Drinks zu sich, sicherlich nicht immer aus medizinischen Gründen, sondern einfach weil „es schmeckt“. Um die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer Antibotikainduzierten Diarrhö zu verringern, macht es aus meiner Sicht Sinn, Probiotika
bereits vor einer Antibiotikabehandlung zu geben.